Feigen pinzieren
Da das Thema zuletzt häufiger aufkam, hier mal einige Informationen zum Pinzieren (engl. Pinchen) von Feigen.
Mit Pinzieren ist gemeint, dass man bei einem Trieb die Endknospe bzw. den letzten Triebabschnitt abschneidet, herausdreht oder anders entfernt. Ich drehe einfach die Knospe heraus, es geht schneller und so vermeide ich Infektionen durch ein Werkzeug.
Welche Funktion hat das Pinzieren? Wie ich schon in zahlreichen anderen Beiträgen erklärt habe, gibt es bei Pflanzen das Phänomen der Apikaldominanz. Das bedeutet, die Spitze eines Triebes hat Wachstumspriorität und wird besser versorgt. Sie produziert das Pflanzenhormon Auxin und unterdrückt damit das Wachstum von vorhandenen Seitentrieben und den Austrieb seitlicher Knospen, die bekanntlich entweder zu Verzweigungstrieben oder zu Früchten werden können. Hintergrund der Apikaldominanz dürfte sein, dass es sich in der Konkurrenz um Licht in der Regel bewährt, erst mal ganz schnell ganz hoch zu wachsen und danach erst in die Breite zu gehen.
Warum pinziert man Feigen und was bewirkt das? Durch das Pinzieren bricht man die apikale Dominanz, und Seitentriebe bekommen einen Wachstumsschub bzw. Knospen treiben neue Triebe oder Früchte. Dadurch bekommt man mehr Seitentriebe und kann so eine bessere Kronenbildung anregen. Vor allem aber verfrüht sich der Austrieb von Fruchtknospen, die vermutlich eh ausgetrieben wären, einerseits um ein bis zwei Wochen, zusätzlich treiben auch Fruchtknospen aus, die ggf. sonst schlafend geblieben wären. Man bekommt also im besten Fall mehr Früchte, und man verfrüht die Reife um ein bis zwei Wochen, was in vielen Regionen Deutschlands dazu führen kann, dass bestimmte Sorten Herbstfeigen überhaupt reif werden, oder aber in einer klimatisch besseren Zeit reif werden, also deutlich besser schmecken.
Wann ist der beste Zeitpunkt zu pinzieren? Der Zeitpunkt hängt von der eigenen Klimazone ab, bzw. ob die Feige ggf. begünstigt oder im Gewächshaus steht. Man sollte einen Trieb frühestens im Stadium von 4 Blättern pinzieren, bei fünf bis sechs Blättern liegt man meistens gut, bei wuchsstarken Sorten kann man auch sieben bis acht Blätter ansetzen. Mehr macht meistens wenig Sinn, weil dann in der Regel das Wachstum sich eh verlangsamt. Pinziert man zu früh, hat die Pflanze zu wenig Blätter, die die Früchte ernähren und man hat auch zu wenig Seitenknospen, aus denen überhaupt Fruchtansätze treiben können. Pinziert man zu spät, hat dies keinen Effekt mehr.
Pinzieren kann sich auch nachteilig auswirken – gerade bei Pflanzen, die zu stark stickstoff- und wasserversorgt sind, bekommt man sehr viele Seitentriebe, es entstehen regelrechte „Besen“ von vielen kleinen schwachen Trieben, die dann wieder ausgelichtet werden müssen und deren Holz in der Regel bis zum Herbst nicht mehr ausreift und anfällig ist für Frost und Pilzinfektionen.
Anbei drei Bilder zur Veranschaulichung des Pinzierens.
Bild eins zeigt einen Trieb, der nicht pinziert wurde, er hat gesamt 9 Blätter und nur eine sehr kleine Fruchtknospe, die noch weit zurück ist.
Bild zwei zeigt einen komplett identischen Trieb, den ich vor drei Wochen nach dem sechsten Blatt pinziert habe. Er hat bereits zwei große Fruchtansätze plus einen kleinen und die nächsten zwei Fruchtknospen treiben bereits auch aus, er könnte also bis zu 5 Früchte tragen.
Im dritten Bild sieht man, dass bei sehr wuchsstarken Sorten (vor allem wenn sie in der Erde und nicht im Topf sind) nach dem Pinzieren eine Seitenknospe sehr schnell und stark austreiben und binnen drei Wochen die Funktion der Terminalknospe übernehmen kann. Hier ist das dritte Blatt des neuen Haupttriebes bereits im Anmarsch. Die ausgetriebene Feige direkt an der pinzierten Knospe zeigt aber, dass das Pinzieren dennoch erfolgreich war, da die zwei Wochen ohne Apikaldominanz gereicht haben, um den Austrieb zu triggern.
Vielen Dank für den Beitrag an Silvan Rehberger